Das Buch Nehemia beginnt damit, dass dieser sich in Susa befandFussnote, wo er als Mundschenk des grossen Königs diente, was «eine Ehre von nicht geringem Ausmass in Persien» warFussnote, und dass einige seiner Brüder von Juda ankamen, die er «nach den Juden, den Entronnenen, die von der Gefangenschaft übrig geblieben waren, und nach Jerusalem» (Neh 1, 2) befragte. Die Emigranten erklärten: «Die Übriggebliebenen, die von der Gefangenschaft dort in der Landschaft übrig geblieben sind, sind in grossem Unglück und in Schmach; und die Mauer Jerusalems ist niedergerissen, und seine Tore sind mit Feuer verbrannt» (Neh 1, 3). Das erste Kapitel im Buch Nehemia endet mit einer Aufzeichnung von Nehemias Gebet an den «Gott des Himmels». Das zweite Kapitel erzählt, wie Nehemia «im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr des Königs Artasasta» seinen Dienst verrichtete. Dabei spiegelte sich sein Kummer auf seinem Angesicht wieder, weshalb Artaxerxes ihn aufforderte, ihm den Grund seines Leides zu nennen. Nehemia antwortete: «Der König lebe ewig! Warum sollte mein Angesicht nicht traurig sein, da die Stadt, die Begräbnisstätte meiner Väter, wüst liegt und ihre Tore vom Feuer verzehrt sind?» (Neh 2, 3). In Erwiderung darauf fragte der König: «Um was bittest du denn?» (Neh 2, 4), worauf Nehemia folgendermassen antwortete: «Wenn es der König für gut hält und wenn dein Knecht wohlgefällig vor dir ist, so bitte ich, dass du mich nach Juda sendest zur Stadt der Begräbnisse meiner Väter, damit ich sie wieder aufbaue» (Neh 2, 5). Artaxerxes gewährte diese Bitte und erliess die dafür notwendigen Anordnungen. Vier Monate später waren eifrige Hände bereits damit beschäftigt, die zertrümmerten Mauern Jerusalems wieder aufzubauen; schon vor dem Laubhüttenfest war die Stadt wieder mit Toren und einem Wall umschlossen (Neh 6, 15).
In der Vergangenheit ist vorgebracht worden, dass dieser Erlass im zwanzigsten Jahr von Artaxerxes nur eine Erweiterung und Erneuerung seines ersten Erlasses gewesen sei – so, wie auch der Erlass von Darius jenen von Kores bestätigt habeFussnote. Wenn diese Behauptung nicht von jemandem mit einem grossen Namen stammen würde, wäre sie nicht einmal eine beiläufige Bemerkung wert. Richtigerweise müsste aber gesagt werden, dass der Erlass im siebten Jahr von Artaxerxes nur eine Erweiterung und Erneuerung der Erlasse seiner Vorgänger gewesen sei. Der erste Erlass von Artaxerxes war nämlich hauptsächlich eine Erlaubnis für die Juden gewesen , das Haus des Herrn, das in Jerusalem ist, zu verschönern (Esra 7, 27), während es die Erlasse von Kores und Darius gewesen waren, mit denen den Juden erlaubt worden war, dieses Haus zu bauen. Das Resultat dieser Erlasse war der Aufbau eines umwerfenden Heiligtums inmitten einer zertrümmerten Stadt. Die Bewegung im siebten Jahr von Artaxerxes war hauptsächlich eine religiöse Wiederbelebung (Esra 7, 10), die vom Wohlwollen des Königs gestützt wurde. Aber das Ereignis im zwanzigsten Jahr war nichts weniger als die Wiederherstellung der Autonomie von Juda. Die Ausführung des Werks, das Kores erlaubt hatte, war bezeichnenderweise mit dem falschen Vorwurf gestoppt worden, die Juden wollten nicht nur den Tempel, sondern auch die Stadt wieder aufbauen. Man hatte vorgebracht, es handle sich um eine aufrührerische Stadt und dass dies der Grund für ihre Zerstörung gewesen sei. Würde diese Stadt nun wieder aufgebaut und ihre Mauern wiederhergestellt werden, würde der König kein Teil mehr auf jener Seite des Flusses habenFussnote. Die Erlaubnis, den Tempel wieder aufzubauen, gewährte es dagegen nur einem besiegten Volk, seinen Gottesdienst wieder in Übereinstimmung mit dem Gesetz seines Gottes auszuüben, denn die jüdische Religion kannte keine Anbetung abseits des Hügels Zion. Die Erlaubnis, die weitherum berühmte Befestigung der Stadt wiederherzustellen und – geschützt hinter diesem Wall – die alte Regierung der Richter wieder einzusetzen, war etwas völlig anderesFussnote. Damit wurde die nationale Existenz Judas wieder zum Leben erweckt, weshalb dieses Ereignis ein passender Beginn für die siebzig prophetischen Wochen ist.