Gemäss dem Buch der Könige begann Salomo mit dem Bau des Tempels im 480. Jahr nach dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten (1. Kön 6, 1). Diese exakte Angabe hat bei Historikern schon für einige Verwirrung gesorgt. Einige meinten, es handle sich um eine Fälschung, andere haben darin einen Fehler erblickt, aber alle sind sich einig gewesen, dass diese Angabe unzutreffend sein müsse. Sogar die Schrift selbst scheint dieser Angabe zu widersprechen. In seiner Rede vor Antiochus (Apg 13, 18–21) fasst Paulus die Geschichte Israels wie folgt zusammen: 40 Jahre in der Wüste, 450 Jahre unter den Richtern und 40 Jahre unter der Herrschaft Sauls, total also 530 Jahre. Zählt man noch die 40 Jahre von Davids Herrschaft und die ersten drei Jahre von Salomos Herrschaft dazu, erhält man 573 Jahre für jene Zeit, die in 1. Kön 6, 1 auf 480 Jahre beziffert wird. Können diese offensichtlich so widersprüchlichen Angaben miteinander in Einklang gebracht werden?Fussnote
Wenn wir die Geschichte Israels im Buch Richter verfolgen, stellen wir fest, dass Israel fünfmal für eine Zeit lang seine nationale Unabhängigkeit als das Volk des Herrn verloren hat. Als Strafe für ihren Götzendienst hat Gott sie immer wieder aufgegeben und in die Hände ihrer Feinde verkauft. Sie waren für acht Jahre Sklaven des Königs von Mesopotamien, 18 Jahre Sklaven des Königs von Moab, 20 Jahre Sklaven des Königs von Kanaan, sieben Jahre Sklaven der Midianiter und schliesslich 40 Jahre Sklaven der PhilisterFussnote. Zählt man diese Jahre zusammen, erhält man 8 + 18 + 20 + 7 + 40 = 93 Jahre, und zieht man 93 Jahre von 573 Jahren ab, erhält man 480 Jahre. Es ist also offensichtlich, dass die 480 Jahre in 1. Kön 6, 1 eine mysthische Ära bilden, bei der alle Perioden ausgeblendet sind, in denen Gott Sein Volk verworfen hatteFussnote. Wenn dieses Prinzip den Juden also aus ihrer eigenen Geschichte bekannt war, war es naheliegend und legitim, es auch in Bezug auf eine durch und durch mysthische Ära wie jene der siebzig Wochen anzuwenden.
Doch diese Schlussfolgerung beruht nicht nur auf einem fundierten Argument oder auf einer überzeugenden Schlussfolgerung, sondern auch auf dem Zeugnis des Herrn Jesus selbst: «Was ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung des Zeitalters?» (Mt 24, 3), fragten Seine Jünger, als sie um Ihn versammelt an einem der letzten Tage Seines Dienstes auf Erden sassen. Als Antwort auf diese Frage antwortete Er von der grossen Drangsal, die Daniel vorhergesagt hatteFussnote, und Er warnte sie, dass das Zeichen für die schreckliche Verfolgung genau jenes Ereignis sein würde, das die Mitte der siebzigsten Woche markiert, nämlich die Entweihung des Heiligtums durch den Gräuel der Verwüstung – wahrscheinlich ein Bild von sich selbst, das der falsche Fürst im Tempel aufstellen und wodurch er den Vertrag brechen wird, die Religion der Juden zu respektieren und zu verteidigenFussnote. Dass sich diese Prophezeiung nicht in den Tagen von Titus erfüllt hat, ist so sicher, wie sicher ein geschichtliches Ereignis nur sein kannFussnote, aber auch die Helige Schrift selbst lässt daran keinen Zweifel.